Eine gemeinsame Verantwortung

In diesen Tagen wird in Büdingen sehr viel über politische Verantwortung diskutiert. Wenn ich auch persönlich lieber über zukünftige Entscheidungen und eine gelingende Zukunft sprechen würde, so muss es doch auch um eine Aufarbeitung der Ereignisse der Hochwasserkatatstrophe am 29. Januar gehen. Unser Bürgermeister hat in verschiedenen Statements seine politische Verantwortung betont.

Er ist bisher der einzige Kommunal- oder Landespolitiker, der sich in dieser Form selbstkritisch geäußert hat. Verantwortung zu übernehmen bedeutet für mich, nicht vor den Folgen und Auswirkungen davonzulaufen - sondern mit anzupacken, damit es zukünftig besser werden kann.

Da ich der Überzeugung bin, dass nicht ein einzelner für dieses schlimme Ereignis eine ausreichend große Verantwortung tragen kann - auch viele Institutionen daran beteiligt sind - gilt für mich: Als Stadtverordneter trage ich ebenfalls politische Verantwortung. Dabei geht es gerade nicht um den Schutz des Bürgermeisters, sondern darum selbstkritisch zu hinterfragen, was wir oder auch was ich selbst in den letzten Jahren in Sachen Hochwasserschutz falsch gemacht habe.

Die Aufarbeitung ist sehr wichtig und ist Teil davon, mögliche Fehler nicht zu wiederholen. Wenn aber eine Aufarbeitung auf Basis einer Vorverurteilung stattfindet, kann sie nie objektiv sein und derjenige, der in den Fokus genommen wird, muss jedes Recht haben, sich zu verteidigen.

 

Nehmen wir mal die kleine Anfrage von Jörg Uwe Hahn im hessischen Landtag. Diese Anfrage ist für mich in ihrer Formulierung eine parteipolitisch motivierte Vorverurteilung, die nicht der Aufklärung, sondern bereits in der Fragestellung und Begründung die gewünschten Antworten liefern soll. Oder nehmen wir den Artikel in der FAZ vom Sonntag. Dort sagt der Vorsitzende des Wasserverbandes Joachim Arnold, der Verband habe das Rückhaltebecken oberhalb des Hammers im vergangenen Herbst beschlossen. In der Kreis Anzeiger Ausgabe vom Samstag ist ihm kein Antrag der Stadt Büdingen zum Bau eines Rückhaltebeckens bekannt. Ich frage mich, auf welcher Basis ein Rückhaltebecken geplant wurde. In einer anderen Erklärung betont er: Alle Planungen zum Rückhaltebecken sind bisher in engster Abstimmung mit dem Land durchgeführt worden. Dazu gehört auch die Finanzierungsfrage. Einen Antrag könne man allerdings erst stellen, wenn man Baurecht hat. Dieses konnte (....)  leider noch nicht vom Land selbst in Form einer Planfeststellung geschaffen werden. Man sieht an diesen Erklärungen, wie komplex die Thematik ist und ich möchte betonen, dass selbstverständlich auch Joachim Arnold keine alleinige Schuld trifft.  Seit 1967 fordert die Stadt ein Rückhaltebecken. Die Artikel sind allesamt in der lokalen Presse nachzulesen. Seither plant der Wasserverband und kommt zu keinem Ergebnis.

 

Ich lebe schon seit meiner Geburt in Büdingen und ich habe erlebt, wie sich der Schlosspark in den 1980er und 1990er Jahren entwickelt hat. Ganz sicher nicht zu seinem Vorteil und in meinen Augen ist sein Zustand auch ein gewisses Symbol für die Hainmauer selbst. Ich habe erlebt, wie es an der Hainmauer u.a. aufgrund von Baumfällarbeiten oder Stürme mit umgestürzten Bäumen immer wieder zu Beschädigungen gekommen ist. Dieser Zustand zieht sich über die letzten 3 Jahrzehnte. Zuletzt mit den Baumfällungen im Jahr 2014. Diese Beschädigungen wurden wiederholt durch die Stadt Büdingen beseitigt. Zuvor musste massiver Heckenbewuchs entfernt werden, um überhaupt vernünftig an das Mauerwerk zu kommen. Wir werden in den nächsten Wochen hören, welche Kosten eine grundlegende Sanierung und eine Erweiterung bzw. Erhöhung der Mauer erfordert. Reicht eine Erdauffüllung mit anschließender Verdichtung auf der Schlossparkseite oder müssen völlig andere Wege beschritten werden. Schützt uns eine sanierte Hainmauer, wenn der Seemenbachpegel 3,80 oder 3,90 mtr. erreicht? Unzweifelhaft muss dringend etwas getan werden. So darf es nicht bleiben, aber wir müssen berücksichtigen, dass eine selektive Betrachtung der Hainmauer keinen ausreichenden Schutz bietet. Weite Teile der Stadt und einzelne Stadtteile wie Wolferborn, Rinderbügen oder auch Wolf werden hierdurch nicht besser geschützt. Eine andere Frage, die wir uns ebenfalls stellen müssen: Weshalb haben wir als Stadtverordnete nicht das nötige Geld für all die wichtigen Maßnahmen in den Haushalt eingestellt? Unsere Fraktionen stellen allesamt viele schöne Anträge. Wir bauen Kindergärten, Straßen, Spielplätze, sanieren die Stadmauer, es soll Personal für die Bücherei eingestellt werden. Von einem grundlegenden Gutachten zum Zustand der Hainmauer in den vergangenen 5 Jahren ist mir nichts bekannt. Ein Antrag hierzu hat es nicht gegeben. Keine größere Summe zur Sanierung der Hainmauer wurde in die Haushaltspläne zwischen 2016 und 2021 eingestellt. Dies ist der Zeitraum, für den ich als Stadtverordneter ebenfalls politische Verantwortung trage und es belastet mich tatsächlich sehr - mal ganz unabhängig von der Eigentumsfrage - dass ich nicht hartnäckiger oder konsequenter war bzw. die Forderung gestellt habe, die Mauer grundlegend zu sanieren. Folgerichtig hätte ich entsprechende Haushalte ohne Hainmauersanierung ebenso konsequent ablehnen müssen. Damit muss ich selbst zurecht kommen und ich erwarte nicht, dass sich andere Stadtverordnete ebenfalls diese Frage stellen, aber wenn es in der Aufarbeitung lediglich darum geht, einer einzelnen Person die Schuld in die Schuhe zu schieben, werde ich mich daran nicht beteiligen. Ich werbe für eine objektive, vorbehaltlose und selbstreflektierte Aufarbeitung. Allerdings auch immer mit der Demut, sich eigene Fehler einzugestehen. Dies gehört für mich ebenfalls zur politischen Verantwortung. Es gibt keine Ausreden mehr. Die notwendigen Maßnahmen an der Hainmauer, die Rückhaltebecken und viele weitere dezentrale Rückhaltemaßnahmen müssen jetzt umgesetzt werden. 

Thomas Appel 09.02.2021