Interview mit Bürgermeister Erich Spamer

Geschäftsaufgaben in der Altstadt können wir uns nicht leisten!

Die Vorstadtsanierung und Verkehrberuhigung in der Altstadt, nächtliche Lärmbelästigung, die Situation des Handels nach dem Lock-Down und viele weitere Themen - auf der Facebook-Seite "Büdingen Erleben" wurde in dieser Woche ein Interview mit Bürgermeister Erich Spamer veröffentlicht. Es behandelt einige aktuelle Büdinger Schlagzeilen der letzten Wochen.

 

Im vergangenen Jahr hat die Verkehrsberuhigung bzw. Wochenend-Sperrung der Altstadt für zahlreiche Diskussionen gesorgt. In diesem Jahr haben Sie auf diese Maßnahme verzichtet. Was waren die Gründe?

 

 

Zunächst bleibt einmal festzuhalten, dass die Wochenendsperrung Sinn macht. Durch die Sperrung der Altstadt vom späten Samstagnachmittag bis Sonntagabend wird gewährleistet, dass die Rundenfahrer und laute Radiomusik bei offenem Fenster unterbunden werden. Dies ist für die Lebensqualität in der Altstadt, d. h., sowohl für die Bewohner als auch die Touristen nicht hoch genug einzuschätzen. Dafür werde ich von Vielen ausdrücklich gelobt. Zutreffend ist, dass ich dieses Jahr die Altstadt ab der Vorstadt nicht gesperrt habe. Dies ist der Pandemie geschuldet. Durch den „Lock Down“ hatten die Gewerbetreibenden über Wochen ihre Geschäfte geschlossen halten müssen und trotzdem die laufenden Kosten wie (Lohn, Miete etc.) bedienen müssen. Zu berücksichtigen bleibt auch, dass die georderte Saisonware keine Abnehmer gefunden hätte. Auch die Gastronomie hat unter dem „Lock Down“ erheblich gelitten. Der Tourismus ebenso. In diesem Umfeld die Altstadt zu sperren, hätte sicherlich zu weiteren Problemen geführt. Geschäftsaufgaben in der Altstadt können wir uns nicht leisten! Umso erfreulicher ist es, dass in die Altstadt wieder Leben eingezogen ist; die Kundenzahl steigt stetig, was auch an dem inzwischen wieder gut frequentierten Wochenmarkt deutlich wird.

 

Sie haben es erwähnt: Der Lockdown als Folge der Covid-19 Pandemie hat im besonderen Maße das Hotel- und Gaststättengewerbe sowie den Einzelhandel empfindlich getroffen. Wie schätzen Sie die wirtschaftliche Situation der Gastronomie und des Einzelhandels in Büdingen ein? Wie kann bzw. möchte die Stadt Büdingen den Inhabern in dieser schwierigen Zeit weiter helfen?

 

Der Verzicht, die Altstadt an Wochenenden verkehrsberuhigt zu machen, ist eine Maßnahme. Zum anderen haben wir sehr früh beschlossen, auf Antrag die Gewerbesteuer zu stunden, was positiv auf- und angenommen wurde. Ansonsten kann ich nur an die Büdinger Bürger appellieren, unter Berücksichtigung der uneingeschränkt notwendigen Schutzmaßnahmen, in den Geschäften der Altstadt einzukaufen und der in Büdingen vielfältigen Gastronomie einen Besuch abzustatten. In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt: Auf meine Empfehlung hin, hat das Büdinger Stadtparlament auch auf die Erhebung von Gebühren für die Außengaststätten in 2020 verzichtet.

 

Wie ist der aktuelle Sachstand zum neuen Altstadt-Förderprogramm?

 

Das ist so eine Sache! Wir sind froh, sowohl für unsere Stadtmauern als auch für die Altstadt entsprechende Fördermittel zu erhalten. Bevor jedoch die ersten Gelder fließen, bedarf es der Umsetzung einer Vielzahl von Parametern, die im Rahmen der Programme eingefordert werden. Dies braucht Zeit, obwohl die Verwaltung bemüht ist, den Katalog abzuarbeiten. Um dies sicherzustellen, haben wir einen früheren Mitarbeiter wieder aktiviert, der sich auf Grund langjähriger Erfahrungen besonders gut auskennt. Hierdurch soll eine Beschleunigung erreicht und Formfehler vermieden werden. Wir sind auf einem guten Weg

 

In den vergangenen Wochen kam es wiederholt zu Beschwerden über nächtliche Lärmbelästigungen in der Altstadt. Welche Strategie verfolgen Sie in diesem Zusammenhang und wie beurteilen Sie den Konflikt von Leben-Wohnen-Arbeiten in der Altstadt insgesamt?

 

Leider ist die Angelegenheit eskaliert, so dass die Verwaltung handeln musste. Bereits in vergangenen Jahren kam es immer wieder zu massiven Beschwerden der Bewohner, weil nachhaltig die Nachtruhe gestört wurde, nicht vor Mitternacht, sondern danach. In diesem Jahr hat es ein nie dagewesenes Ausmaß angenommen. Allein in den ersten 20 Tagen des Monats Juli kam es für 2 Gaststätten im Bereich des Marktplatzes zu jeweils ca. 10 Beschwerden über Störungen zwischen 1.00 Uhr und 5.00 Uhr in der Nacht. Das war und ist nicht länger hinnehmbar. Da die Gastronomen Ihrer Verantwortung nicht gerecht wurden, wurde vorübergehend die Sperrstunde für beide Lokalitäten auf 22:00 Uhr verlängert. Dies geschah auf Zeit und zwar für 2 Wochen, in der Hoffnung, dass die Betreiber Einsicht zeigen. Die Maßnahme hat Wirkung gezeigt, gelöst hat es das Problem jedoch nicht in Gänze. Wenn ich gefragt werde, welche Maßnahmen ggf. in Zukunft ergriffen werden können, so weise ich darauf hin, dass eine erneute Sperrzeitverlängerung für eine längere Dauer ( z. B. ein Monat) oder gar ein beantragter Außengaststättenbetrieb nicht genehmigt wird. Mir und der Verwaltung ist bewusst, dass jeder bei solche Hitzeperioden lieber im Außenbereich statt im Inneren einer Gaststätte sein Essen/seine Getränke genießt. Deshalb haben wir in der Vergangenheit immer eine Karenzzeit von einer halben Stunde eingeräumt und nicht darauf bestanden, dass der Außenbereich um 22:00 Uhr geräumt sein muss. In Nidda z. B. befindet sich ein großer gastronomischer Betrieb, der sogar eine Genehmigung im Außenbereich bis 24:00 Uhr hat. Dort geht es gesittet zu, ohne Geschreie und Gegröle. Das wünsche ich mir für Büdingen und seine Bürger auch! Hier sind die Betreiber gefordert – Nidda ist ein Vorzeigebeispiel!

 

Wie soll die Geschwindigkeitsbegrenzung innerhalb der historischen Stadt umgesetzt werden?

 

Im Moment haben wir wegen des desolaten Zustands der Fahrbahn Tempo 10 km/h in der Vorstadt; generell sind 30 km/h erlaubt. Die weitaus größere Anzahl der Verkehrsteilnehmer halten sich auch an die Geschwindigkeitsbeschränkungen. Allerdings sind durch die Pflasterung die Abrollgeräusche sehr laut, so dass die Verwaltung derzeit prüft, 10 km/h einzuführen. Dies wäre der Lebensqualität in der Altstadt sehr dienlich.

 

Wie beurteilen Sie die aktuelle Parkplatzsituation in der Büdinger Altstadt und sehen Sie Möglichkeiten der Errichtung von weiterem Parkraum für die Altstadtbewohner in der Nähe des Quartiers?

 

Durch die Lage der historischen Altstadt ist das Parkplatzangebot mehr als beschränkt. In der Vergangenheit haben mich Bewohner in der Altstadt immer wieder angesprochen, Anwohnerparken einzuführen, worauf aber bis heute aus gutem Grund verzichtet wurde. Durch die notwendige Einhaltung bestimmter Maße (2,50 x 5,00 m) für jeden einzelnen Parkplatz würden die vielen, genutzten Nischenparkplätze entfallen. Durch den Abriss der „Militärregierung“ in der Mühltorstraße wurde in jüngster Vergangenheit etwas Abhilfe geschaffen. Es zeigt sich aber deutlich, dass dies nicht ausreichend ist. Im Falle einer Bebauung durch die Stadt Büdingen sollte berücksichtigt werden, dass dort eine Doppelnutzung mit weiteren zusätzlichen Parkplätzen sichergestellt wird. Im Interesse der Altstadtbewohner muss bei Festivitäten in der Altstadt durch die Verwaltung sichergestellt werden, dass die für die Altstadtbewohner vorgehaltenen Parkplätze (mit Ausweis) ausschließlich durch diese genutzt werden können. Ich habe mich immer dagegen ausgesprochen, in diesen Fällen Falschparker abzuschleppen; die Vielzahl der Falschparker macht dies jedoch zukünftig notwendig.

 

Eine dauerhafte Wochenend-Sperrung der Altstadt wird seit vielen Jahrzehnten immer wieder diskutiert. In welchem zeitlichen Rahmen und mit welchen technischen Möglichkeiten möchten Sie eine solche Sperrung umsetzen?

 

Auch dieses Thema ist seit Jahren Gesprächsstoff und es gibt ganz unterschiedliche Meinungen unter den Geschäftsleuten selbst und auf der anderen Seite die der Anlieger. Mir schwebt vor, im Bereich Vorstadt/Altstadt Poller zu installieren und zwar In der Vorstadt Höhe Fischerstübchen und in der Obergasse. Für Rettungsfahrzeuge (Feuerwehr/DRK) sowie Taxen, Anwohner und Hotelgäste soll jedoch eine Befahrung durch Kennzeichenerfassung möglich sein. Mir schwebt nach wie vor eine Sperrung von samstags 16: bis sonntags 21:00 Uhr vor. Aus meiner Sicht könnte eine Sperrung auch wochentags ab 23:00 Uhr erfolgen, da dann für Nachtschwärmer genügend Parkraum auf dem Altstadtparkplatz zur Verfügung steht und nachhaltig zu einer Verkehrsberuhigung in der Altstadt beiträgt, insbesondere auch das Befahren mit offenem Fenster samt lauter Radiomusik!

 

Im kommenden Jahr soll die Vorstadt grundhaft saniert und neu gepflastert werden. Wie stehen Sie zu diesem Beschluss?

 

Auf meinen Vorschlag hin, sollte die Vorstadt im Rahmen des 2. Bauabschnittes Bahnhofstraße (ab Brunostraße bis Pferdsbacher Weg) erneuert werden. Dies hätte seinerzeit kostengünstig gemacht werden können, wurde aber durch einen Beschluss der Stadtverordnetenversammlung verhindert. Auf Grund der Pandemie und des Stillstandes der Geschäftswelt für viele Wochen, hatte ich der Stadtverordnetenversammlung vorgeschlagen, die Arbeiten in der Vorstadt erneut zu verschieben, um die Schließung weiterer Geschäfte in der Altstadt zu verhindern. Dem ist die Stadtverordnetenversammlung nicht gefolgt. Auf Grund privater Initiativen hat hier offensichtlich ein Umdenken stattgefunden. Ich würde es begrüßen, wenn die Mehrheit der Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung meinem Vorschlag im zweiten Anlauf folgt.

 

Wie stehen Sie zu einem Austausch in Form eines jährlichen Stammtisches mit Altstadtbewohnern, Gewerbetreibenden und der Gastronomie?

 

Ein „Gedankenaustausch“ findet ja schon über die sozialen Medien satt, sofern die Beteiligten diese nutzen. Grundsätzlich ist dagegen nichts einzuwenden und ich wäre auch bereit, hierzu einzuladen. Die Vergangenheit hat aber gezeigt, dass viele terminlich nicht unter einen Hut zu bringen sind. Themen wie Leerstand, Zwischennutzung, gemeinsame Öffnungszeiten, angepasste Gewerbemieten, Betrieb der Außengaststätten oder auch Hinweise innerhalb der Gastronomie, welche anderen Kaffees/Restaurants am eigenen Ruhetag geöffnet haben, könnten zielführend behandelt werden

 

Momentan stehen in der Altstadt einige Geschäfte leer. Die Ortsvorsteherin bemüht sich gerade um die Möglichkeit der Zwischennutzung. Welche Möglichkeit könnten Sie sich vorstellen, die Räume einer längerfristigen Vermietung zuzuführen?

 

Eingangs hatte ich schon darauf verwiesen, dass ggf. die Mieten zu hoch sind. Statt Leerstand könnte auch Künstlern die Chance gegeben werden, ihre Kunstwerke zu präsentieren. Wichtig ist es, Frequenzbringer in der historischen Altstadt anzusiedeln, die im gastronomischen und touristischen Umfeld agieren. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass inzwischen auf Grund des Online-Handels eingesessene Geschäft auf der Zeil in Frankfurt schließen; Hier gilt es ein Umdenken in der Bevölkerung zu erreichen im Sinne von lokalem Einkauf, da ansonsten viele Innenstädte veröden. Eine Ausdehnung des Veranstaltungsangebotes in der Altstadt lehne ich in diesem Zusammenhang allerdings ab.